Musik und Moment – so lautete der Titel unseren letzten Konzerts. Wir haben mal wieder unsere SängerInnen gefragt, was ihnen das Singen im Chor in dieser Zeit bedeutet.
Singen gehört für mich zum guten Leben
Herta, seit 1995 im Heart Chor
30 Jahre Bestehen sind für einen Chor vielleicht nicht lang. Man denke an Männergesangsvereine, die schon ihr 100-Jähriges feiern. Aber wenn man fast seit Anbeginn dabei ist, hat es schon etwas fast Ehrfürchtiges und ist erstaunt, dass man es selbst so lange geschafft hat, in einem Chor zu singen, der sich immer weiter entwickelte. Das liegt freilich am Engagement der Sänger und Sängerinnen, aber zum Großteil bei den Chorleitern wie sie motivieren konnten und jetzt mit Claudi, die einfach noch mit ihren tiefgehenden Stimmübungen wirkungsvolle und neue Tonexplosionen aus uns herauskitzelt.
Das erste Jubiläum feierten wir im Sommer 2004. In der Retrospektive war es ein sehr zurückhaltendes Feiern mit Gesang auf acht öffentlichen Plätzen in Regensburg. Zu dieser Zeit waren wir schon ein begehrter Chor in der Regensburger Gesangsszene. Wir verschönten mit unseren Liedern das „Fest im Fluss“, die Museumsnacht im Naturkundemuseum, die Eröffnung der Regensburger Kurzfilmtage, die Weihnachtsmärkte am Neupfarrplatz sowie Lukreziamarkt und mit einem kleinen Ensemble vier Hochzeiten und eine Geburtstagsfeier.
Im Sommer 2014 haben wir unser 20-Jähriges mit einem kostenlosen Konzert in der Dreieinigkeitskirche zugunsten der UNICEF-Kampagne „Wasser wirkt“ gefeiert. Die gesammelten Spenden flossen in das Hilfsprojekt, fast 13.000 Euro, einfach phänomenal. Gesungen haben wir außerdem am Uni-Sommerfest, bei zwei Hochzeiten und zu Weihnachten in der Neuro Reha, in der Blauen Stunde in St. Paul, am Lucreziamarkt und vor der Diba-Café-Bar.
Und 2024 singen wir im Aurelium. Da denke ich mir, was soll 2034 erst sein? Tatsächlich singe ich aus einer inneren Freude heraus, mein inneres Gleichgewicht pendelt sich für die folgende Woche ein und nicht zu vergessen, die Leute sind mir ans Herz gewachsen. Erwähnen möchte ich noch: Wenn man die Buchstaben im Heart etwas umstellt, so ergibt das meinen Namen.
Das ist doch zauberhaft 🙂
Was gibt mir die Musik des Heart Chors?
Daniela, seit 2016 im Heart Chor
Wenn ich darüber nachdenke, öffnet sich in mir eine riesengroße Schwingtür in einen wundervollen Bereich meines Lebens, wo der Alltag draußen bleibt und ich nicht vor mich hin grantle – na gut, manchmal vielleicht schon, wenn die Proben nicht so laufen, wie es mir gefällt, aber meistens eben nicht. Meistens sind die Glücksgefühle, die das Singen bei mir auslöst so viel stärker als jeder Alltagsärger, sie bewegen mich und geben mir Kraft.
Das hat am Anfang meiner Zeit beim Heart Chor im Jahr 2018 auch meine Tochter bemerkt, die mich angesprochen hat, wie sehr sie sich freut, dass mir der Chor so viel Spaß macht: „Früher hast du beim Abspülen immer geschimpft, jetzt singst du!“ Gleichzeitig habe ich im Chor einen Raum, in dem ich mich von der Musik berühren lassen kann, wo ich auch mit Traurigkeit einfach sein darf, wo Tränen fließen dürfen ohne gleich getrocknet werden zu müssen, zum Beispiel bei „I’ll be seeing you“, wo es um Lieben, Loslassen und Erinnern geht, um Zuneigung, die auch nach einer Trennung, einem Verlust in uns bleibt und uns begleitet, uns die Welt mit anderen Augen sehen lässt.
Was mir das Singen im Chor noch gibt ist, dass ich mich ganz lebendig fühlen kann. Unser Medley „Songs of 1994“ führt mich zurück in meine Jugend, und auch wenn diese Lebensphase nicht nur von Glück und Freude geprägt war, wenn viel Weltschmerz und Zukunftsängste vorhanden waren, liegt im Gefühl der inneren Jugend für mich unglaublich viel Freiheit. Ich darf auch mit fast 50 noch albern und überschwänglich sein, muss mich nicht festlegen lassen auf Mutterschaft, Arbeit, Haushalt, und was sonst noch alles zu meinem Erwachsenenleben gehört.
Das Motto des diesjährigen Konzerts führt mich aber noch weiter. Was passiert in mir, wenn ich das in mir wirken lasse: Musik und Moment? Moment lässt mich an Augenblick denken, an Innehalten und „zu mir kommen“. Wie komme ich zu mir, wo sind meine Kraftquellen, die mich immer wieder anregen, mein Leben in die Hand zu nehmen und zu gestalten? Auf jeden Fall ist Gemeinschaft und Verbundenheit für mich ein wichtiger Teil. „Ist da jemand“ stellt die Frage nach der Verbindung mit anderen Menschen, die uns fest zur Seite stehen. Wenn alles gut läuft finden wir dann „The way home“ und hoffentlich eine Form von Heimat und können uns niederlassen („Settle down“).
Heimat muss aber nicht zwingend ein physischer Ort sein, auch im Glauben, wie durch die Cajon in „Indodana“ für mich besonders intensiv spürbar, oder der Verbindung mit der Erde und Natur können wir Kraft und Geborgenheit finden. Im „Earth song“ verspricht das Singen Halt in einer krisenhaften Welt. Wir sollten uns aber doch nicht nur niederlassen und unser kleines Glück suchen, es muss doch mehr geben, wollten wir nicht mal die Welt verändern? Im Chor kann man seine Stimme besonders schön erheben, aber wenn wir in den Texten eine sinnvolle Botschaft vermitteln, gefällt mir persönlich das noch viel besser.
In „Never enough“ singen wir davon, dass kein Traum groß genug ist. Die Stimmung schlägt hier schon fast in Verzweiflung um, ob dieser unstillbaren Sehnsucht nach immer mehr. Nicht wirklich ein schönes Gefühl, aber im Mut der Verzweiflung steckt für mich auch ein großes Potential, mit dem ich mich gerne hin und wieder verbinden möchte, um Träume und Veränderungsbereitschaft nicht zu verlieren. „Not ready to make nice“ verkörpert für mich eine ähnliche Energie und erzählt davon befeuert durch die Kraft der Wut für sich selbst und das, was man für richtig hält einzustehen.
„You’re the voice“ ruft schließlich ganz klar dazu auf, laut zu sein und sich nicht wegzuducken. „We’re not gonna sit in silence, we’re not gonna live with fear” – diese Textzeile im Chor zu singen ist ein wunderbares Gefühl und ich spüre wie so oft eine große Dankbarkeit, dass ich ein Teil des Heart Chor sein darf.
Chor bedeutet für mich nicht nur zusammen singen, eine gute Zeit haben und nette Musik trällern. In der Gemeinschaft Musik machen bedeutet für mich auch, eine gemeinsame Botschaft zu senden – im Chor, aber natürlich auch ans Publikum.
Nadine, seit 2022 im Heart Chor
Ich bin der Meinung, dass es grade eine gute Zeit ist, sich in der Gesellschaft zu engagieren, kritisch zu sein und zu bleiben und für seine Werte einzustehen. Deswegen freue ich mich, wenn wir als Chor Lieder singen, die Statements setzen, einen Standpunkt deutlich machen, Haltung zeigen für Menschenrechte, gegen Diskriminierung und Gewalt, für ein wertschätzendes und achtsames Miteinander.
Unser Stück „Die Resilienz“ von Celina Bostic ist ein tolles Beispiel dafür. Im Refrain heißt es „Das hab ich alles schon erlebt“. Zu dieser Zeile kam uns im Chor folgender Gedanke: Man kann nur sagen „Das hab ich alles schon erlebt“, wenn man auch überlebt hat. Angst haben, sich bedroht fühlen, sich nicht sicher fühlen können im Alltag: für viele Menschen ist das Realität. Menschen werden auf der Straße oder in der Arbeit beschimpft, bedroht und verletzt, im Internet in „sozialen“ Netzwerken runtergemacht. Nur, weil anderen ihr Äußeres, ihre Sprache, ihr Geschlecht, ihre Identität nicht passt.
Die Welt ist an so vielen Stellen so voller Hass und Hetze, dass viele deshalb kraft- und mutlos werden. Unter dem Musikvideo strotzen die Kommentare vor Begeisterung, Dank und Zuversicht. Und das zeigt mir wieder: Musik kann mehr als „nett anzuhören“ sein. Sie kann Kraft geben, ermutigen, verbinden, Menschen zusammenbringen, sie kann gute Gänsehaut machen, obwohl die besungenen Zustände Unbehagen auslösen.
Celina Bostic schenkt mit ihrem Lied neuen Mut, gibt einen Impuls, neue Kraft zu finden, zeigt Menschen: „Hey, du bist nicht allein mit dieser Welt“. Und beim Singen spür ich diese Kraft, wenn der ganze Chor singt: „Wir sind die Resilienz“.