Die Projektphase zu Faust war pandemiebedingt sicher eine der Anstrengendsten, die der Heart Chor je erlebt hat. Ständig ergaben sich neue Herausforderungen. Probenkonzepte mussten jeweils an die aktuelle Situation angepasst und überarbeitet werden. Dies verlangte von allen Heart Chor Mitgliedern große Flexibilität und die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen. Bis zuletzt bestand eine gewisse Restunsicherheit, ob die Konzerte stattfinden können.
Umso glücklicher standen die Sänger und Sängerinnen des Heart Chor und Chorleiterin Claudia Zormeier am 14. und 21. Mai wieder auf der Bühne. Beide Aufführungen waren bestens besucht und das Publikum war sichtlich begeistert von dem spannenden und kurzweiligen Abend. Der Chor konnte sehr viele Facetten modernen Chorgesangs zeigen und endlich präsentieren, woran in den letzten zwei Jahren gearbeitet wurde.
Das Konzept des Abends und die Adaption von Goethes Faust ins 21. Jahrhundert wurde maßgeblich von Karin Hirmer gestaltet, die auch Regie führte. Sie verwendete für die einzelnen Szenen hauptsächlich Teile des Originaltextes mit minimalen Anpassungen. Der Text wurde für das Publikum als projizierter Whatsapp-Verlauf sichtbar.
Unterstützt wurde die Geschichte auch von Laura Meißauer und weiteren Tänzerinnen. Sie brachten durch ihren Tanz, der hauptsächlich zeitgenössische und jazzige Elemente erhielt, eine weitere erzählerische Ebene ein. Die Tänzerinnen brachten Frische und Leichtigkeit in den Abend und motivierten durchaus auch die Sänger:innen zu körperlicher Präsenz und Bewegung auf der Bühne Die Tänzerinnen Annette Vogel und Laura Meißauer verkörperten die Hauptfiguren Faust, Mefi und Gretchen und bezogen die Texte gekonnt in ihre Darstellung mit ein.
Zunächst stellten die Sänger:innen und Tänzerinnen mit einer modernen Vertonung des Gedichts „The Tyger“ von William Blake stimmgewaltig die Frage nach dem großen Ganzen und die Spannung zwischen Gut und Böse bzw richtig und falsch in den Mittelpunkt und öffneten somit den Rahmen für die Geschichte von Faust.
Faust ist in der Heart Chor Version ein unzufriedener Mann im 21. Jahrhundert, der zu viel Zeit vor dem Bildschirm verbringt, aber auch von der realen Welt gelangweilt ist. Seine Lebenskrise findet in dem Stück „In the shadows“ von The Rasmus Ausdruck, bei dem die Sänger:innen ihre rockige Seite zeigten. Um sich abzulenken, surft Faust im Internet und installiert schließlich die Service-App Poodle, die Abwechslung und umfassende Lebenshilfe verspricht. Faust ist skeptisch, aber verzweifelt und neugierig genug, um sich in „Hymn of Axciom“ auf das Versprechen von Bedürfnisbefriedigung und Empathie durch ultimative Datenerfassung und die Erfüllung aller seiner Wünsche in „Friend like me“ einzulassen. Nach einem kurzen Besuch in Auerbachs Keller, in dem die Sänger:innen und Tänzer:innen zu einer Clubversion des altspanischen Trinkliedes „Hoy comamos y bebamos“ feiern, und einem tänzerisch dargestelltem Umstyling, trifft Faust schließlich auf Gretchen. Das erste Kennenlernen der Beiden beschreibt ein Ensemble des Chores mit einer coolen Version von „Es saß ein klein wild Vögelein.“ „The Blower´s Daughter“ erzählt anschließend die kurze und intensive Verliebtheitsphase, an deren Ende Faust das Interesse verliert und sich aus der Beziehung ghostet.
Der zweite Teil des Konzerts begann mit einem komplexen Arrangement von „Je suis malade“. In diesem Moment wird klar: Gretchen hat Liebeskummer. Außerdem ist sie schwanger. Ein Jahr später erfährt Faust auf Umwegen von seiner Tochter und stellt seinen persönlichen Assistenten zur Rede, der ihm diese Information vorenthalten hat. Dieser gibt sich schließlich zu erkennen und verlangt nach „Sympathy for the devil“. Nach einigen weiteren Ablenkungen wird Faust schließlich klar, dass er sich falsch verhalten hat und versuchen möchte, sich zu ändern. Die Sänger:innen kommentieren dies mit dem jazzigen „Ich Idiot ließ Dich gehen.“ Er besucht Gretchen am Abend und hört, wie diese ihrem Kind „Innocent Warrior“ als Schlaflied vorsingt. Schließlich reden die Beiden und er darf seine Tochter kurz sehen, nachdem sie eingeschlafen ist.
Was aus Faust und Gretchen wird, bleibt offen. Im großen Finale betanzen und besingen aber alle Beteiligten die Lebensfreude mit dem Bollywoodsong „Jai ho“ und schließen so den metaphysischen Rahmen vom Beginn ab.
Die Bandbegleitung übernahmen auch dieses Mal wieder Mauro Cicarelli und Band, mit denen wir bereits viele tolle Konzerte spielen durften. Das Konzert erhielt wieder einige Heart Chor Origniale. Wir bedanken und bei Steffi Polster, Markus Dankesreiter und Claudia Zormeier für die schönen Arrangements.
Ein besonderes Ereignis waren die beiden Konzerte auch für Claudia Zormeier, die im Herbst 2021 die Chorleitung übernahm und ihren Chor zunächst nur online kennenlernen konnte. Wir bedanken uns sehr für den Sprung ins kalte Wasser und freuen uns noch auf viele weitere Auftritte mit unserer engagierten Chorleiterin.
Programm
Lied | Tanz | Musik, Text, Arrangement oder Autor |
The Tyger | Komp. und Arr.: Andrew Miller | |
In the Shadows | Komp.: Aki Hakala, , Eero Heinonen, Pauli Rantasalmi; Arr.: Claudia Zormeier | |
Friend like me | Komp.: Howard Ashman, Alan Menken; Arr.: Mark Brymer | |
Hymn of Axiom | Komp.: Cynthia Yih Shih; Arr.: Kerry Marsh | |
Hoy comamos y bebamos | Komp.: Joan del Encina; Arr.: Markus Dankesreiter | |
In Motion | Komp.: Trent Reznor, Atticus Ross | |
Es saß ein klein wild Vögelein | Trad.; Arr. Markus Dankesreiter | |
The Blower’s Daughter | Komp.: Damian Rice; Arr.: Stefanie Polster | |
Je suis malade | Komp.: Alice Dona, Serge Lama; Arr.: Markus Dankesreiter | |
Sympathy for the Devil | Komp.: Mick Jagger, Keith Richards; Arr.: Oliver Gies | |
I Put a Spell on You | Komp.: Jay Hawkins | |
Ich Idiot ließ dich gehen | Komp.: Matthias Hass, Frank Ramond; Arr.: Claudia Zormeier | |
An Innocent Warrior | Komp.: Foa’i, Opetaia Tavita; Arr.: Stefanie Polster | |
Jai Ho | Komp.: A. R. Rahman, Gulzar & Tanvi Shah; Arr.: Mark Brymer | |
You’ve got the love | Komp.: Anthony B. Stephens, Arnecia Michelle Harris, John Bellamy Arr.: Claudia Zormeier |